Heute teilen wir mal wieder einen persönlichen Bericht. Verfasst von unseres OV-Mitglied Tanja Malohn, die sich zusammen mit Jugendlichen im Grasberger Jugendtreff auf eine „Reise gegen das Vergessen“ begeben hat.
„Unsere Reise gegen das Vergessen“ im Sommer 2025 – Ein ganz persönlicher Bericht
Am 24.03.2025 erreichte auch unseren Ortsverband per Whats-App die Einladung des Jugendtreffs Grasberg zur Vorbereitung von Workshops vor der anschließenden Sommerfreizeit nach Polen mit Besuch der Gedenkstätte Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
Foto: Einladung


Die Entscheidung zur Teilnahme fiel mir nicht leicht. Geprägt durch die vielen Erzählungen meiner Großeltern und Eltern über Krieg und Nachkriegszeit, das Wissen um das dunkle Kapitel unserer deutschen Geschichte und das jetzige Erstarken populistischer Strömungen wie auch der AfD, dachte ich jedoch: „Jede/r Einzelne kann im Kleinen zur Erinnerungskultur, zum Erhalt unserer Demokratie und dem Schutz unserer Verfassung und gemeinsamen Werte beitragen“.
Trotz Zeitmangels und anfänglicher Zweifel auch an meinen pädagogischen Fähigkeiten entschied ich mich, offen auf diese Reise mitzugehen – klar auch um die offene Jugendarbeit in Grasberg besser kennenzulernen.
Vorbereitung: Geschichte begreifen, Demokratie leben
Gregor Schöpe und Lukas Schlösser vom Jugendtreff organisierten parallel zum Sommer-Ferienprogramm mehrere Vorbereitungstreffen, unterstützt von Jürgen Manteufel und engagierten Jugendlichen.
Gemeinsam entwickelten wir die einzelnen Workshop-Konzepte für Jugendliche ab 13 Jahren mit multimedialen Inhalten und Raum für Austausch – jeweils abgerundet durch ein gemeinsames Pizza-Essen.
Die Organisation erfolgte durch die Mitarbeitenden des Jugendtreffs in Abstimmung mit der Verwaltung und der Kreisjugendpflegerin.
Leider wurden ganz aktuell in 2024 Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ für die neue Förderperiode (2025–2032) vom Landkreis nicht beantragt – weswegen hieraus keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Ein weiterhin kontrovers diskutiertes Thema.
Artikel des Wümme-Report vom 20.06.2024 „Demokratie leben“ heiß diskutiert
Artikel des Weser-Kurier vom 12.06.2024 Keine Verlängerung für „Demokratie leben“ im Landkreis Osterholz „Das Bundesprogramm „Demokratie leben“ wird im Landkreis Osterholz nicht fortgesetzt. Die Verwaltung sieht zu wenig Nutzen und zu viel Aufwand in dem Projekt. Kritik kommt von Linkspartei und Grünen“
Inhaltlich setzten wir uns zunächst erstmal richtig intensiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander: von der Weimarer Republik über die Machtergreifung des NS-Regimes, Entrechtung von Menschen, dem 2. Weltkrieg, dem Holocaust, bis zur Nachkriegszeit und unseren demokratischen Errungenschaften bis zur Entstehung unserer jetzigen Demokratie und der Schaffung unserer Verfassung, des Grundgesetzes (zum Schutz unserer Demokratie). Außerdem sprachen wir schon während der Vorbereitungen über die Stolpersteininitiative und die Geschichte der jüdischen Familie Fränkel aus Grasberg.
Uns wurde bewusst, auch GrasbergerInnen waren Miglied in den Jugendorganisationen, wählten die NSDAP, beteiligten sich an der Judenverfolgung, denunzierten Andere, sie zogen in den II. Weltkrieg, starben als Soldaten und auch GrasbergerInnen wurden denunziert und verfolgt, wenn Sie sich nicht anpassten.
Einige unserer Vorfahren kamen später aus den ehemaligen Ostgebieten als Vertriebene nach Grasberg, was für die aufnehmenden Bauern (die erst einige Generationen selbst hier siedeln und das Land urbar gemacht haben) und die Vertriebenen nicht immer einfach war. Auch unsere eigenen verschiedenen Migrationshintergründe waren Thema.
Dank Jürgens geschichtlichem Wissen und Input vertieften wir unser Verständnis. Besonders war die ziemlich aufwändige Recherche und Erarbeitung eines historischen Zeitstrahls – er wurde am Ende mehrere Meter lang und bildet die einzelnen Schritte ab, die innerhalb kürzester Zeit zur der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und den Umbau zur Diktatur ab.
Workshops und Reise

Artikel des Weser-Kurier (Wümme-Zeitung) vom 04.04.2025: Jugendtreff Grasberg plant Polenreise mit Auschwitz-Besuch
Unter dem Motto „Unsere Reise gegen das Vergessen“ fanden an drei Terminen (24.06., 26.06. und 01.07.2025) mehrstündige Workshops statt.
Inhalte, Organisation, Technik, Logistik und Öffentlichkeitsarbeit lagen beim Jugendtreff – eine beeindruckende Leistung, die einiges an Zeit und persönlichem Einsatz von Gregor und Lukas forderte.
Sie bereiteten alles top vor, besorgten Equipment, Bücher und digitale Inhalte, sie managten die Einladungen, bewegten Jugendliche mitzumachen, sprachen mit Eltern, organisierten die Teamarbeit während der Workshops und sorgten immer dafür, dass es allen gut ging und jede/r das Gefühl erhielt, dass alle Beiträge richtig und wichtig waren.
Ich war dann bei Workshop 1 (wir schauten den Film „die Welle“ und diskutierten was wir da gesehen haben und was der Film aus dem Jahr 2008 veranschaulichte in kleinen Gruppen. Anschliessend tauschten wir die Ergebnisse uns aus und liessen den Abend bei einem gemeinsamen Essen ausklingen) und Workshop 3 (Thema: wie kam es zum KZ Ausschwitz-Birkenau? Was war das Führerprinzip, und wer waren s.g. „Volksfeinde“?) dabei und tief beeindruckt von Neugier, Offenheit und Ausdauer der Jugendlichen – trotz hoher Temperaturen (es war sehr heiß) kurz vor den Ferien. Die Auseinandersetzung mit so schweren Themen in ihrer Freizeit verdient Respekt.




Vom 03. bis 08. Juli 2025 reiste die Gruppe in unser Nachbarland nach Polen mit den drei Betreuenden Tine, Lukas und Gregor, erlebte ein spannendes Freizeitprogramm und besuchte gut vorbereitet dann auch die Gedenkstätte Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Eindrücke der Reise findet Ihr auf den Social-Media-Kanälen des Jugendtreffs dokumentiert.
Nachbereitung und Reflexion
Zum Abschluss fand ein vierter Workshop statt , zu dem ebenfalls die Politik aber auch die Presse eingeladen war. Leider konnte ich dann aufgrund eines Urlaubs nicht teilnehmen, doch Petra Mirsanaye (Mitglied des Ausschuss für Jugend, Senioren, Sport und Kultur und Tourismus) aus unserem Ortsverband war vertreten.
Mitte August erschien ein ausführlicher Bericht dazu in der Wümme-Zeitung, in dem auch über die gewonnen Eindrücke der teilnehmenden Jugendlichen berichtet wird:
Artikel des Weser-Kurier (Wümme-Zeitung) vom 20.08.2025: Grasberger Jugendliche besuchen Auschwitz

Mir bleibt besonders ein Moment im Gedächtnis: Ein Gespräch in kleiner Runde über mit die inzwischen überholte Rassenideologie der Nationalsozialisten und den Satz von Margot Friedländer (ihr Name fiel uns zuerst nicht ein) „es gibt kein jüdisches, kein muslimisches Blut, es gibt nur menschliches Blut. Wir sind alle gleich“….. Ein Mädchen schaute auf ihre Adern….
Es gibt so vieles, was wir auch von Margot Friedländer eine der letzten Zeitzeugen der Shoa und vorhanden Zeitdokumente ihrer Arbeit lernen können.
Die gemeinsame Beschäftigung mit der NS-Zeit hat mich tief bewegt. Besonders die detaillierte Auseinandersetzung mit der innerhalb kürzester Zeit erfolgten Machtübernahme durch die rechtsextremen Nationalsozialisten hat mir deutlich gemacht, wie fragil Demokratie sein kann – und wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam heute Verantwortung für Morgen, Menschenrechte und alles was uns dabei wichtig ist übernehmen. #niewieder
Auch in Grasberg fanden Verfolgung und Ausgrenzung statt – wie nicht nur das Beispiel der jüdischen Familie Fränkel zeigt. Als Lektüre half uns die Eickedorf-Chronik ( Harry Schumm: 250 Jahre Eickedorf. 2002). Ich persönlich hoffe auf Zeit, um bald vielleicht einmal das Kreisarchiv besuchen zu können in dem seine Aufzeichnungen aufbewahrt werden und würde mich freuen wenn es eine gewollte, gemeinsame Stolperstein-Initiative für Grasberg gibt. Oder einen Ort des achtsamen Gedenkens, wie z. B. den Gedenkstein in unserer Nachbargemeinde Fischerhude…aber dafür braucht es wieder viel Zeit und Muße….und irgenwie auch persönliches Engagement (Wümme Report 19.07.2025).
Wusstet Ihr?-Aktuell gibt es nur diese unscheinbare Tafel auf dem Friedhof in Grasberg, auf der von „Verschleppten“ die Rede ist und nicht erklärt, um wen es sich handelt (vielleicht ein bisschen wenig?):

Was bleibt?
Es ist unser aller Aufgabe, die Geschichten und Erfahrungen unserer Vorfahren nicht nur während der NS-Zeit an die nächste Generation weiterzugeben – nicht nur als Mahnung, sondern auch als Orientierung, damit sie lebendig bleibt.
Gerade heute, wo gesellschaftlicher Zusammenhalt, Menschenrechte und der Umgang mit Geflüchteten neu diskutiert werden, helfen solche Rückblicke, um zu verstehen, in welcher Gesellschaft wir eigentlich selber leben wollen, für welche Werte wir uns einsetzen und warum diese Demokratie in der wir leben uns dabei wichtig ist.
Mir persönlich helfen neben dem offen sein für Gespräche mit z.B. hier asylsuchenden und MigrantInnnen auch die Geschichten meiner Großeltern und Eltern (ebenfalls Geflüchtete aus den ehmaligen deutschen Gebieten und einfache Arbeiter waren) um einzuordnen, woher wir kommen und welchen Weg wir gemeinsam gehen wollen und was uns im Jetzt hilft unsere Einstellungen und Entscheidungen zu finden.
Deshalb bin ich dankbar, dass ich die Reise des Jugendtreffs mitgehen durfte. Wir haben viel von und miteinander gelernt und es hat sich gelohnt. Für mich ganz persönlich.
Demokratie braucht DemokratInnen und Demokratiebildung. Es ist immer gut und richtig Gespräche über unsere Werte und Menschenrechte zu führen, sei es in der Familie, im Verein, anderen Institutionen, im Jugendtreff, im Job und überall.
Tanja
Fazit für unsere kommunale Arbeit: Der Jugendtreff als wertvolle Institution, die Unterstützung verdient.
Der Jugendtreff Grasberg als Institution mit seinen Mitarbeitenden leistet mit großem Engagement eine unverzichtbare Arbeit für junge Menschen in unserer Gemeinde– offen, frei zugänglich, im geschützten Raum.
Diese offene Jugendarbeit ist ebenso wie das Kita- und Schulwesen kommunale Pflichtaufgabe und muss weiterhin gefördert und finanziell und personell unterstützt werden, auch Demokratiebildung bleibt dabei wichtig.
Der Treff ist ein Ort für alle Jugendlichen. – Es lohnt sich für alle, dort vorbeizuschauen.
Wir vom Grünen Ortsverband sind gespannt auf weitere Informationen und Einladungen und werden mit unserer Arbeit in Fraktion, Ausschüssen und Gemeinderat die offene Jugendarbeit weiterhin unterstützen. Ebenso wollen wir die Themen der jüngeren Generation, der gerade einiges aufgebürdet wurde (Einschränkungen während der Pandemie) und wird (z.B. Auseinandersetzung mit Krisen und Kriegen, Folgen des Klimawandels, alternde Gesellschaft/Demografie und Wehrpflichtdiskussion) weiter interessiert begleiten.
Auch Du möchtest Dich gerne zu einem unserer Themen hier in Grasberg bei uns einbringen?
Dann melde dich gerne über unseren Kontakt hier auf der Homepage, werde Mitglied oder sprich eine/n von uns an! Denn auch Dein politisches Engagement zählt!
Der Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen in Grasberg 🌻
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